Neuartige, miniaturisierte Kameralösungen für Automotive und Fahrzeug-Innenraumüberwachung

Integrierte Optik
24.11.2017
Erstellt von BMBF-Verbundprojekt SITARA

BMBF-Verbundprojekt SITARA demonstriert zum Abschluss eine hochdynamische Multiaperturkamera mit 3mm Baulänge und eine miniaturisierte Array-Kamera mit vier optischen Kanälen.

Bild einer Multiaperturkamera mit 3mm Baulänge im Vergleich mit einer 1Cent Münze
Demonstrator einer hochdynamischen Multiaperturkamera mit 3mm Baulänge. Bild: Fraunhofer IOF

Im Herbst 2017 hat das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „SITARA“ seine Forschungs- und Entwicklungsarbeiten nach über vier Jahren erfolgreich beendet. Das Projektkonsortium bestehend aus neun Partnern aus Industrie und Wissenschaft hatte zum Ziel, eine kostengünstige, intelligente und lichtstarke Miniatur-Kamera mit großem Dynamikumfang und einer kurzen Baulänge von wenigen Millimetern zu entwickeln.

Um diese herausragenden Eigenschaften zu erreichen wurde die synergetische Entwicklung speziell angepasster Bildsensoren mit hoher Dynamik und entsprechend passender mikrooptischer Abbildungsoptiken angestrebt. In der Anfangsphase des Projekts wurde ein entsprechendes Systemkonzept erarbeitet und es wurden Muster sowohl zum Nachweis der prinzipiellen Funktionsweise eines angepassten Bildsensors mit hoher Dynamik als auch der abbildenden Mikrooptik im Projekt untersucht.

Aufgrund des sehr hohen innovativen Anspruchs und der damit verbundenen technischen Hürden der geplanten Bildsensorentwicklung konnten innerhalb der Projektlaufzeit allerdings nur Funktionsmuster und kein eigenständiger Bildsensorchip mit voller Funktionalität realisiert werden.

Gleich zwei innovative Kamerademonstratoren

Neben den im Rahmen des Projektes erfolgten Untersuchungen zu den wissenschaftlichen Grundlagen, Funktionsprinzipien und Basis-Technologien für Multiaperturkameras wurden aus diesen Gründen zwei Kamerademonstratoren basierend auf kommerziell erhältlichen Bildsensoren für die Anwendungsbereiche Automotive (Frontview-Kamera zur Fahrspur- und Verkehrszeichenerkennung, Daimler AG) sowie für die Video-Innenraumüberwachung in Fahrzeugen des Öffentlichen Personen Nahverkehrs (DResearch GmbH) entwickelt.

Zum einen wurde der Demonstrator einer hochdynamischen Multiaperturkamera mit 3mm Baulänge realisiert, der zwei optische Kanäle mit unterschiedlicher Lichtempfindlichkeit in Verbindung mit einer Bildrekonstruktion für hohe Dynamik (HDR) verwendet. Dieses Multiaperturkonzept befördert die geringe Baugröße des durch Wafer-Level Optiktechnologie realisierten Objektivaufbaus.

Des Weiteren wurde eine miniaturisierte Array-Kamera mit vier optischen Kanälen zur Erfassung eines unkonventionellen Gesichtsfeldformats von 110°x30° realisiert. Die dem Facettenauge ähnliche Aufteilung des Gesichtsfeldes durch verschiedene optische Kanäle ermöglicht eine verringerte Baugröße gegenüber weitwinkligen Standardoptiken. Hierbei kam erstmals eine hybride Optiktechnologie mittels Mischung von Glas- und Wafer-Level-Optik-Komponenten zum Einsatz die eine verbesserte thermische Stabilität der Abbildungsoptik verspricht.

Die beiden beispielhaften Systemdemonstratoren verdeutlichen die Vorteile von Multiaperturkameras gegenüber bestehenden konventionellen Systemen:

  • potentiell sehr große Flexibilität - durch beispielsweise eine bereichsweise spektral gefilterte, eine 3D Bilderfassung oder eine aufgabenorientierte Anpassung optischer Parameter in verschiedenen Gesichtsfeldbereichen/optischen Kanälen;
  • extreme Verringerung der Kamera-Baulänge bis auf 3 mm bei gleichzeitig großem Gesichtsfeld und guter Schärfentiefe;
  • vergleichsweise geringe Herstellungskosten - durch die Fertigung der mikrooptischen Objektive auf Wafer-Level sowie durch eine automatisierte Chip-zu-Chip Objektiv-Montage.

Die Vorhaben der Projektpartner

Für den Einsatz im industriellen Umfeld erforschten die Partner SICK und IMS CHIPS neue Ansätze für die Realisierung von Kamerasensoren mit hohem Dynamikbereich und linearer Wandlungskennlinie. Für diesen Zweck wurde eine neuartige direkte Photostromdigitalisierung erforscht und in ersten Silizium-Teststrukturen real untersucht. Die erhofften positiven Eigenschaften des neuartigen Verfahrens konnten mit dem ersten Testaufbau in der Realität prinzipiell nachgewiesen werden.

Dem Vorteil der für industrielle Anwendungen entscheidend höheren Robustheit steht jedoch die weitaus kompliziertere Pixelarchitektur gegenüber: Benötigen übliche Kamerachips z.B. im Mobiltelefon nur 5 Transistoren für 4 Pixel – Stichwort Shared Transistor – und damit lediglich 1,25 Transistoren pro Pixel, so sind für die hochdynamische, lineare Photostromdigitalisierung >100 Transistoren pro Pixel zu integrieren. Für die Realisierung eines kompletten, markttauglichen Kamerachips basierend auf dieser neuartigen Technologie müssen deshalb noch weitere intensive Forschungsarbeiten durchgeführt werden.

Die Partner SICK und IMS CHIPS schätzen das im Rahmen von SITARA entwickelte Verfahren als so attraktiv ein, dass sie gewillt sind, für dessen weiterer Erforschung bis zur Marktreife auch nach dem Ende des Projektes substanzielle Ressourcen zu investieren.

Parallel zur Entwicklung neuer Sensorverfahren erforschten die PartnerIHP, IAP und SICK innovative Möglichkeiten zur schnellen optoelektronischen Beeinflussung von Photoströmen „direkt an der Antenne“ mittels neuartiger nanooptischer Ansätze. Die Untersuchung verschiedener plasmonischer und resonanter Wellenleiterstrukturen auf Silizium mündete in vom IHP erzeugten Teststrukturen, mit denen der Nachweis der elektrisch modulierbaren Nanooptikstrukturen gelang.

Für den Einsatz im integrierten Silizium-Sensorchip sind allerdings die notwendigen Stromstärken noch zu hoch. Auch hier wird auf Grund der Attraktivität des Lösungsansatzes nach dem Ende des Förderprojektes SITARA der Partner SICK weiterhin substantiell Mittel investieren, um die Erforschung dieses neuartigen Verfahrens voranzutreiben mit dem Ziel, integrierte 3D-Sensorik für die Zukunftsmärkte Logistik und Industrie 4.0 weiterzuentwickeln.

Durch ihre Flexibilität, geringen Herstellungskosten sowie ihre außergewöhnlichen Leistungsparameter und Eigenschaften eignen sich die entwickelten Kameras für den Einsatz in zahlreichen Anwendungsfeldern, darunter in den Bereichen industrielle Bildverarbeitung/Robotik, Sicherheitstechnik und Automotive Innenraumüberwachung. Diese Bereiche zählen zu den wachstumsstarken Anwendungsfeldern der optischen Technologien in Deutschland.

Das SITARA-Projekt wurde vom BMBF im Rahmen der Initiative „Integrierte Mikrophotonik“ mit rund 3,54 Millionen Euro gefördert. Das Projekt ist im Juli 2013 gestartet und wurde nun Ende September 2017 abgeschlossen. Projektpartner waren die Daimler AG, die DResearch GmbH, das Fraunhofer IOF Jena, das IAP der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die IHP GmbH, die Sick AG, die First Sensor Microelectronic Packaging GmbH und die Jabil Optics Germany GmbH.

Bild einer miniaturisierten Array-Kamera mit vier optischen Kanälen
Miniaturisierte Array-Kamera mit vier optischen Kanälen. Bild: Fraunhofer IOF
Bild zeigt die Betrachtung eines Objektes ini einem unkonventionellen Gesichtsfeldformat
Unkonventionelles Gesichtsfeldformat von 100°x30°. Bild: Fraunhofer IOF